Zunächst mal ist die Arbeit das Maß der Dinge. Irgendwo muss das Geld für unsere Extratouren ja herkommen.
Aber auch an diesem Freitag machen wir jedoch wie bei unserer Reise nach Zeeland neulich zeitig Schluss, damit wir uns noch um unser Wohnmobil kümmern können.
Immerhin wollen wir heute Nachmittag noch los, auch wenn ich nicht so recht dran glaube.

Von unterwegs telefoniere ich mit einigen Reifenhändlern.
Ich bekomme schließlich ein gutes Angebot für 2 fast neue Reifen und schlage bei 60,- € pro Stück (inkl. Montage, Wuchten und Altreifenentsorgung) zu. Es sind sogar Markenreifen und nicht irgend ein chinesischer Import.
Der Tandler gibt mir einen Termin für 13:30 Uhr, das könnte doch tatsächlich noch passen.
Um 13:20 stehe ich beim Händler auf der Matte.
Er ist auch Wohnmobilfahrer, hat einen Hobby 600 auf Peugeot-Basis.
Zu seinem Glück hat er einen TD- Motor, nun beginnt das Fachsimpeln…

Gegen 14:45 Uhr sind die beiden Reifen gewechselt. Der alte linke Vorderreifen wird zum Ersatzrad degradiert.
Ich fahre vom Hof und bin total begeistert. Wie eine andere Welt, das Wohnmobil lässt sich total leicht lenken und steuern. Der leichte Linksdrall ist weg, Wohni fährt wie ein Strich geradeaus. Das hat sich wirklich gelohnt und war wohl dringend erforderlich.
So nach und nach tauschen wir wohl alle Verschleißteile aus.

    
     Wir stehen beim Reifenhändler hinter der Halle…

Wovon ich auch sehr überzeugt bin sind die Bremsen. Da die Reifen ab waren haben wir uns diese mal genau angesehen.
Die Scheiben haben keine Riefen oder Rillen, die Klötze haben noch min. 3/4 Profil.
OK, der TÜV war ja neu, dennoch ist es gut zu wissen, dass die Bremsen auch vom Verschleiß her noch sehr gut in Schuss sind.

Bereits um kurz vor 3 bin ich wieder zuhause.
Ich lade nun einige Dateien aus dem Internet auf den Laptop.
Insbesondere ziehe ich mir die Stellplatzdatenbank vom Wohnmobilforum und dazu einige der Stellplatzbeschreibungen. Diese mache ich „offline verfügbar“, damit wir in Belgien nicht wieder die gleiche Überraschung wie in Holland erleben, als wir uns für den Superspartarif von 36 € knappe 3 MB herunter geladen haben. Das passiert mir nie wieder !!!

Anja ist auch zeitig da und so laden wir die letzten Sachen ins Wohnmobil.
Wir stellen den Kühlschrank auf 12V und packen einige Getränke in den Kühlschrank. Ich bin gespannt, ob die Dreh- und Ausbauaktion des Kühlschranks etwas gebracht hat.
Als wir endlich meinen fertig zu sein, fällt mir noch ein, dass die Fahrräder fehlen. Ob wir diese brauchen? Dieses Dilemma, ob wir damit fahren, ist gar nicht so klar, aber wenn wir die Räder nicht dabei haben und eine schöne Strecke zum Radeln sehen, beißen wir uns in den Hintern.
Zum Glück bin ich schon recht geübt mit der Fahrradverladung, dass das ganze in 10 Minuten erledigt ist. Leider habe ich mich so versaut, dass ich wieder hoch muss mir die Hände waschen.
Und die Luftpumpe liegt auch noch oben.
Mist!

Ein bisschen mehr Zeit wie eingeplant ist dann eben doch für alle Vorbereitungen drauf gegangen, sodass wir erst um 17:25 Uhr im Wohnmobil sitzen und den Diesel starten.
Aber der ganze Stress hat sich gelohnt.
Genau für diesen Moment! Ja, es geht wieder los, wir sind unterwegs, auf Achse und raus aus dem Alltag.
Tschüß tristes Wetter, triste Umgebung, tristes Einerlei, wir hauen ab und nehmen uns 3 Tage Auszeit. Das ist wirklich der schönste Moment, die Freiheit beginnt direkt hier genau mit dem ersten gefahrenen Meter vor der eigenen Haustür.

    
Hurra, es geht endlich wieder los, Start frei !

Den Montag haben wir auch frei genommen, das lohnt sich doch.
Der Tank ist noch von unserer letzten Holland-Reise gut gefüllt, daher können wir gleich auf die A 4 auffahren. Unser Kilometerzähler zeigt uns
174.047 km an.
Ich habe ein wenig im Internet recherchiert, der Diesel soll in Belgien billig, in Frankreich aber noch billiger sein und so wollen wir auf jeden Fall versuchen mit der Tankfüllung nach Frankreich zu kommen.
Sollte eigentlich kein Problem sein.

Die Fahrt ist sehr entspannt, die A 4 ist zwar voll, aber trotzdem kommen wir gut durch. Ab Düren wird es leerer und wir können frei fahren.
95 km/h ohne Probleme.
Wir haben offenbar genau die richtige Geschwindigkeit, wir müssen keinem LKW hinterher fahren und wir bremsen auch keine LKW aus. Hat man sich erst mal von einer Kolonne gelöst und fährt allein, ist die gleichbleibende Einhaltung der LKW- Geschwindigkeit ein Garant für stressfreies Fahren.
Das merk ich mir!

Trotz 95 km/h passieren wir um exakt 18:07 die Grenze. 30 Minuten, nachdem wir die Autobahn befahren haben, mit dem PKW geht das auch nur 10 Minuten schneller.
Also subjektiv gesehen sind wir gar nicht so langsam.
Unser Wohni läuft aber auch super im Moment. Egal, ob es hügelig wird, oder nicht, wir halten ohne besondere Anstrengung genau die 95 km/h. Ob das am sauerstoffreichen Wetter und der Umluft liegt? Es regnet leicht und es ist frisch draußen.

             
     alle fahren links, dann ist rechts frei! 🙂    Kurz vor der Grenze                    und schon sind wir dank der EU in Belgien

Das feuchte Wetter ist trotzdem unschön, wir sind beide so froh, dass der Wetterbericht für Calais Sonne und Temperaturen um 23-25°C vorher gesagt hat. Ideales Reise- und Kurzurlaubswetter!

Gegen 18:30 Uhr erreichen wir bereits die ca. 50 km hinter Aachen liegende Stadt Liege (Lüttich, Luik). Hier machen wir die erste Pause.
Wir haben beide Hunger und kennen diesen Rastplatz mit angeschlossenem Kommerz-Center bereits von früheren Besuchen.
Neben dem von uns in Belgien und Frankreich gern besuchten Quick-Burger gibt es noch ein amerikanisches Restaurant mit Stierhörnern und ein großen Carrefour- Supermarkt. Und einige weitere Geschäfte. Das ganze Areal ist von der Autobahn bereits gut zu sehen und kann von mir für einen Zwischenstop nur empfohlen werden.
Das ganze gleicht ein wenig des Autobahnraststätten neben den Highways. Da kommt auch erst eine Tankstelle, dann ein paar Fast-Food- Restaurants und dann die Motels. Nur dass wir hier eben noch den großen Supermarkt und einige weitere Geschäfte haben.
Wir parken stilecht neben einem hier bereits stehenden Wohnmobil und dann geht es auf zum Quick-Burger.

              
  In Liege gibts die erste Pause                     Wir parken immer gerne da, wo auch schon andere Womo´s stehen 🙂

Den Quick-Burger besuchen wir besonders gern, weil dieser neben den klassischen Burgern auch geröstete Toasts mit allerlei Geschmack anzubieten hat.
Anja bestellt sich ein fertiges Menü bestehend aus einem Tomate-Mozzarella-Toast mit Salat, einem Joghurt und eine Cola-Light.
Ich entscheide mich für die „gesündere“ Menü-Variante mit Big Bacon Burger, Pommes und Cola-Light.
Für das ganze Sortiment werden knapp 16 Euro fällig.
Der Big Bacon verdient seinen Namen leider zu Unrecht, ein Small Bacon würde es eher treffen.

              
     Was gibts denn heute?                         O-hohoh freu freu, ein Big Bacon.. … äh, ist das alles? Oder ist der nur wo versteckt?

Ärgern muss ich mich aber leider auch über die Klofrau.
Eigentlich habe ich kein Problem einen kleinen Obulus für ein sauberes Klo da zu lassen.
Das ist nur fair und ist für die mit Sicherheit dreckige Arbeit noch zu wenig.
Hier jedoch ist das Klo versaut, es gibt keine Tücher zum Hände abwischen und der Seifenspender ist durch einen alten Papp-Eisbecher mit flüssiger Seife ersetzt worden.
Auch die einzige Kabine mit Schloss lässt sich von innen nicht abschließen, der Riegel wurde mit Gewalt zerstört. Also nur kleines Geschäft, möglichst nichts anfassen und wieder raus.
Zum ersten Mal schätze ich die Sanitäreinrichtungen im Wohnmobil. Obwohl es nur ein Porta Potti ist, hätte ich tausend mal lieber hier gesessen, als hier die Toilette zu benutzen.
Aber es kommt noch schlimmer:
Obwohl wir hier gespeist haben und die Benutzung der Toilette damit eigentlich abgegolten sein sollte, will die Dame am Ausgang 0,30 € von mir haben.
Anja ist auch auf Toilette und hat das Geld in der Tasche dabei.

Ich gehe zunächst an der Frau vorbei und möchte eigentlich nicht für diesen „Service“ bezahlen, da keift die Alte mich lautstark auf französisch an, die Gäste drehen sich um und gucken. Ich versteh kein Wort, aber ich weiß die will nun Kohle und hat wohl nichts nettes gesagt.
Ich bin ja sonst nicht auf den Mund gefallen, aber diese Situation trifft mich so unvorbereitet, dass ich mit knallroter Birne in einem Deutsch/Englisch-Mix zur Frau brabbel, dass meine Frau das Geld habe und ich natürlich bezahlen würde und nun hier auf meine Frau warten würde.
Die Alte ist beruhigt und die Gäste widmen sich wieder Ihrer Speise.
Nun warte ich hier an der Tür und finde das erstmal zum Kotzen.
Soll oder kann ich nun einfach gehen?
Anja wäre noch in der Gewalt der mit Sicherheit nicht nur verbal bewaffneten Klofrau, ich bin mir sicher, dass die bei den Haaren auf den Zähnen auch das zerstörte Herrenklo mit der Hackfresse aufgebissen hat.

Über diesen Gedanken finde ich zu alter Stärke zurück.
Wäre ich allein würde ich nun einfach gehen und bei einem Kommentar der alten Klokuh mit dem einzigen französischen Satz kontern, der mir aus der 5ten Klasse Realschule noch im Gedächtnis geblieben ist (Sorry Frau F., trotz ihres unerbittlichen Engagements hat es für mehr einfach nicht gereicht… 😉
„Mince, il ya une ver dans ma Pomme!“ das würde in ungefähr bedeuten: „Mist, es ist ein Wurm in meinem Apfel!“ (Sprechen die Belgier überhaupt französisch? Egal!)
Völlig zusammenhanglos und der Situation gar nicht angebracht würde dieser Satz mit korrektem und lautstarkem Tonfall diesmal zur Abwechslung locker die Alte aus der Situation bringen und ich wäre draußen, bevor sie darauf antworten könne, da bin ich mir sicher.
Aber wie gesagt, nur ein Gedankenspiel.
Als Anja endlich aus der Toilette kommt, fange ich sie am Ausgang ab und bitte sie um die 0,60 €, die sie mir irritiert überreicht und wir kaufen uns aus der Klogefangenschaft frei.
Ich erzähle Anja die Geschichte und meine Konteridee auf dem Weg nach draußen, sie findet es nicht lustig.

Auf dem Weg zur Autobahn feixe ich bereits wieder vor Freude.
Wir passieren eine Shell, die uns den Diesel für 0,95 € anbietet! Das sind doch die besten Aussichten, wir freuen uns über diese günstigen Spritpreise.
Tanken? Ach nee, das wird bestimmt noch billiger an einer Supermarkttankstelle im Hinterland werden.
Wir haben noch knapp 3/4 im Tank, da brauchen wir noch nicht tanken.
Erstmal weiter fahren und ankommen ist die Devise, es ist immerhin schon kurz vor 7.

Die Reise verläuft sehr entspannt, die E 40 ist erstaunlich leer und sogar am Ring in Brüssel haben wir keinen Stau. Wir hören das Hörbuch Felidae, das Anja sich von einer Bekannten ausgeliehen hat. Ich kenne den Film nicht, finde das Hörbuch aber sehr spannend.
Gut, dass so wenig auf der Autobahn los ist, man kann (bitte keine dummen Kommentare deswegen, muss doch jeder für sich selbst entscheiden) sich problemlos während der Fahrt auch auf das Hörbuch konzentrieren.

Gegen 21 Uhr wird es allmählich dunkel, die Hoffnung einen Sonnenuntergang am Meer zu erleben wird wohl leider heute nicht mehr möglich sein.

    
  Schade, aus dem Sonnenuntergang am Meer wird wohl heute nichts mehr werden…

Gegen halb 10 nähern wir uns allmählich Ostende, nach Frankreich schaffen wir es auch nicht mehr, das wird für den Abend definitiv zu weit.
Wir möchten auch nicht die zugegeben einfache E 40 nach Frankreich durchfahren, sondern lieber auf der Küstenstraße von Ostende durch Nieuwport und De Panne nach Frankreich rein fahren.
Ist einfach schöner, die Dörfchen sind hübsch, die Straße abwechslungsreich und mit etwas Glück finden wir sogar eine günstige Tankstelle oder ein nettes Plätzchen zum Parken und anschließendem Bummeln.

Campingplätze in Belgien, das wissen wir aus dem ebenfalls auf dem Laptop installieren ACSI- Campingführer,  sind sehr teuer und hier oben in der Gegend nicht unter 20,- € pro Nacht zu bekommen. Das ist uns nur fürs (Über-)Stehen einer Nacht eindeutig zu viel.
Anja beginnt anhand der Karte für Belgien und der Karte auf dem Laptop einen geeigneten Stellplatz auszuwählen.

Gegen 20 vor 10 verlassen wir die Autobahn kurz hinter Ostende an der Ausfahrt 4 „Middelkerke“.

         
   Die Arbeitsmittel des Bordnavigators                                        Wir sind fast da…

Wir sind überrascht, hier ist erstaunlich viel los und wir können kaum die Gegend auskundschaften, weil wir wie ein Luchs auf den Verkehr achten müssen. Neben kreuz und quer fahrenden Autos machen mir auch die Fußgänger Sorgen. Queren die Fahrbahn ohne zu gucken. Auch habe ich den Eindruck, dass einige schon angetrunken sind. Besonders die Gruppen.
Auch die hier verkehrende Küstenstraßenbahn ist gerammelt voll, spuckt stetig an den Haltestellen die Menschen auf die Straßen. Ist denn hier heute Abend irgendwas besonders los oder ist das der ganz normale Freitag-Abend-Ferien-Wahnsinn?
Unheimlich auch die Straßen außerhalb der Örtchen. Rechts und Links stehen die Autos auf dem Seitenstreifen kilometerweit bis hinter den Ortsgrenzen, hin und wieder ist auch ein Wohnmobil oder ein Gespann dabei. Stehen die hier direkt an der Hauptstraße? Ist das überhaupt erlaubt? Für uns ist das jedenfalls nichts, wir wollen einen der ausgewiesenen Stellplätze probieren.

         
  Allmählich wird es dunkel…                                                     Die Küstenstraße bei Nacht, links die Straßenbahnlinie

Als erstes steuern wir den Stellplatz von Westende „Strandlaan de St. Laureins an.
Leider können wir diesen nicht finden. Durch den Ort selbst müssen wir uns quälen, die Straßen sind auch hier gut gefüllt, langsam fahren und dabei orientieren ist ebenfalls nicht möglich, da wir in einer Kolonne fahren und sich vor und hinter uns mehrere Autos bewegen.
Wenn wir von der Hauptstraße aus keinen direkten Hinweis finden, dürfte es mit dem Stellplatz hier düster aussehen.
Wir sehen dann zwar ein Hotel, dass den gleichen Namen wie der Stellplatz (St. Laureins) trägt, daher liegt die Vermutung nahe, dass der Stellplatz ganz in der Nähe sein muss.
Leider ist diese Straße sowie die davor liegende Straße rechts in Richtung Stadtkern bzw. Strand gesperrt. Mobile Gitter sind aufgestellt, Parkverbotsschilder rundherum runden das wohnmobilfeindliche Szenario ab.
Hier ist tatsächlich ein Fest im Gange, durch das geöffnete Fenster dringt entfernte Musik aus Richtung Strand.
Hier weiter zu kurven hat keinen Sinn, also weiter zum nächsten Stellplatz.

Auf der Karte ist der Yachthafen von Nieuwpoort eingezeichnet.
Gegen 22 Uhr fahren wir nach Nieuwpoort rein. Wir folgen der Beschilderung „Haaven, Mariner“ und finden eine verlassen wirkende Hafenzufahrt vor.
Beinahe dran vorbei gefahren, dann aber mit ein wenig zurück setzen gerade noch geschafft.
Wir sehen kleine Schilder mit Wohnmobilsymbolen, allerdings sind wir offenbar die einzigen mobilen Gäste hier.
Dann sehen wir auch warum.
Die Wohnmobilparkplätze sind nur von 8 bis 22 Uhr als Parkplatz zugelassen.
Wir halten hier erst mal an und orientieren uns neu.
Ein weiteres Schild fällt mir ins Auge, auch hier wird unmissverständlich klar gemacht, dass man hier nicht stehen darf. Sogar auf deutsch.
Es wird auf 2 Campingplätze verwiesen, also können wir hier wohl nicht bleiben.
Also wieder rein auf Piloten- und Copilotenposition und weiter geht’s durchs Dunkel der Nacht.
Ein kleiner Hoffnungsfunke bleibt. Das Hafenbecken hat 2 Seiten, vielleicht sieht es auf der anderen Seite ja besser aus?
Also queren wir der Hauptstraße folgend eine Brücke über den Kanal.
Auf der anderen Seite sehen wir zunächst ein Schild „Oude Yachthafen“ und schöpfen neue Hoffnung.
Als wir dem Weg folgen sehen wir jedoch recht schnell, dass auch hier Wohnmobile unerwünscht sind.
Diesmal unmissverständlich und ganz groß in Signalfarbe rot gleich am Eingang.
Danke, wir sind bestens bedient, der Ort ist doof, wir sind nicht willkommen.

              
    Wohnmobil nur zw. 8 und 22 Uhr                sonst bitte CP anfahren                                 Und auf der anderen Seite?
Leider auch nicht willkommen!

Nützt alles nichts, wir müssen weiter fahren.
Auf der Karte haben wir noch 2 Stellplätze in der Datenbank, bis wir nach Frankreich kommen. Einmal Veurne und der Platz in De Panne.
Zwei Chancen bleiben also noch übrig. Die Daten von De Panne habe ich offline verfügbar gemacht. Somit können wir die Daten des Stellplatzes auch ohne Internetverbindung aufrufen und damit auch die GPS- Koordinaten auslesen. Wir haben unseren Magellan GPS 300 dabei.
Ein einfaches Gerät, dass nur die Koordinaten anzeigt und eben nur mit Zielkoordinaten gefüttert werden kann. Keine Kartenfunktion, nur ein simpler Pfeil zeigt die grobe Grundrichtung. Fürs Geocachen ist der jedoch ausreichend.
Aber besser, als gar nichts. Ich schalte das Teil mal ein. Leider bleibt es bei dem Versuch, die Batterien sind leer.
Klasse! Das hätte man ja auch mal vorher ausprobieren und einprogrammieren können.
Ich, Klug von Schlau…
Weil wir De Panne schon kennen, entscheiden wir uns für erst mal den Platz in De Panne zu suchen, wenn das nichts wird haben wir noch Veurne an der Autobahn. Wenn das aber auch nichts wird, na dann gute Nacht Marie.

Die Angst kommt wieder in mir hoch. Werden wir ein Nachtlager finden?
Da ist ein Hotel schon einfacher. Man weiß, man findet eine besetzte Rezeption, bekommt auf jeden Fall sein Zimmer.
Wir haben nicht mal einen Campingplatz gebucht, auf dem man endlich ankommen könnte. Und mal davon abgesehen sehe ich mit immer später werdenden Stunde auch unsere Hoffnung auf einen möglichen noch besetzten Campingplatz schwinden.
Wir passieren sogar ungewollt einen Campingplatz, die Schranken sind jedoch zu, die Rezeption ist dunkel und geschlossen.
In etwa das gleiche passiert, was uns auch in Holland wiederfahren ist.
Wir wussten zwar bei unser heutigen Reise wenigstens, in welche Gegend wir wollen, einen genauen Zielort hatten wir allerdings auch hier nicht definiert.
Mir fehlt irgendwie ein fixer Punkt, der das Ende der Reise signalisiert. Irgendwas, wo man ankommt und bleiben kann. Der Straßenrand ist hierzu nicht geeignet, es muss schon ein hierfür ausgelegter Platz sein und wenn es nur ein Stellplatz ist.
Und das fehlt uns nun, ein Zielpunkt, wo man ankommt, leider wird es bei der mittlerweile vollends eingesetzten Dunkelheit immer schwerer einen möglichen Zielort auszumachen.

Was ist denn hier passiert?
Mein Freund, die Nacht, sonst immer gut zu mir, wirkt heute bedrohlich und hat uns fest im Griff.

„Wahrscheinlich haben die einfach alle Stellplätze geschlossen, die Campingplätze hier sind so teuer, da werden sich die Besitzer über die schwindenden Einnahmen durch Stellplatznutzung wohl nicht gerade Dankesschreiben an die Gemeindeverwaltungen richten, sondern sich für die Abschaffung der Stellplätze stark gemacht haben“ werfe ich in unsere kleine 2-Persnonenrunde.
„Hrrmm“ bekomme ich ein skeptisches Grummeln als Antwort.
Die Fahrt geht weiter.
Allmählich wird auch der Sprit knapp. Die Lampe ist gerade angegangen, zwar nur in der Kurve, aber sie flackert. Gebranntes Kind scheut das Feuer. Wir haben ja unsere Zwangspause mangels Sprit schon hinter uns. Wir haben zwar noch geschätzte 50 km, dennoch würde sich eine offene Tankstelle gut machen und eine Sorge von uns nehmen.
Aber leider auch hier die erste traurige Ernüchterung. Keine Spritpreise um 0,90 €, sondern eher deutlich oberhalb der 1,00 € Marke. Und darüber hinaus haben alle von uns passierten Tankstellen geschlossen. OK, es wird schon noch reichen. In Frankreich muss es einfach günstiger sein.

Wir sind offenbar nicht allein, 2 Wagen vor uns fährt ebenfalls ein Wohnmobil. Vielleicht haben die das gleiche Problem wie wir?
Ich komme näher ran, ein Belgier, vielleicht kennt der sich hier aus und fährt einen nicht registrierten Stellplatz an. Wir folgen ihm erst mal und durchfahren Nieuwpoort. Merkwürdige blau beleuchtete Rahmen stehen hier am Straßenrand, dazwischen immer wieder Zebrastreifen.
Unsere Wohnmobilleuchten (23 Jahre) sind nicht mehr die neuesten, wir haben Probleme nun durch die gelbe Straßenbeleuchtung, die Werbung der umliegenden Häuser und eben die schwachsinnigen blauen Rahmen dunkel gekleidete betrunkene Fußgänger rechtzeitig zu erkennen, wenn sie auf die Straße treten.
Da können wir uns auch 2 Kerzen oder Teelichter in die Scheinwerfer stellen, das hätte wohl in etwa den gleichen Effekt.
Müssen wir für England eigentlich noch Teile der Scheinwerfer abkleben? Wenn ja wird wohl die Ausrüstung des Wohnmobils für eventuelle Nachtfahrten mit einem Sonar und einem Radar sinnvoll.

         
     Ob er auch einen Nachtplatz sucht?                                           Was sollen denn die blauen Rahmen? Fahrerverwirrung?

Wir folgen dem Wohnmobil, es biegt an einem Kreisverkehr ab. Ich bin der Meinung dass es dort in Richtung De Panne geht, Anja meint, dass es geradeaus gehen würde.
Zu spät, ich bin schon auf der Ausfallstraße.
Kurz darauf kommt die Autobahn. Da wir nicht drehen wollen, fahren wir einfach eine Ausfahrt auf der Autobahn weiter.
Wir durchfahren dann eben zuerst Veurne und nicht De Panne, auch egal. Die Uhr zeigt uns an, dass die letzte Stunde dieses Freitags gerade begonnen hat, es ist kurz nach 11.

Eine Ausfahrt später fahren wir in Veurne wieder von der Autobahn ab.
Wir fahren orientierungslos in die Stadt hinein.
Wie soll man bei dieser blöden Dunkelheit auch die richtige Straße finden?
Das gleicht einer Nadel im Heuhaufen. Ich bin skeptisch, ob wir überhaupt ein Nachtlager finden und jemals wo ankommen. Ehrlich gesagt bin ich sogar der Verzweifelung nah. Die Kurverei durch die Städte unter ständiger Anspannung ist einfach zu viel nach diesem langen Tag.
Ich schwöre mir, dass wenn wir jemals nochmal Freitags nach der Arbeit los fahren dann einen festen Zielort mit bereits vorbestellten Schlafplatz suchen und reservieren.
Ohne irgendwas los zu fahren ist einfach nichts.

Ich blicke suchend umher, meine Frau schreit plötzlich los: „Mensch bieg da ab, die Bäume da in der Seitenstraße sehen doch aus wie Linden!“
Skeptisch, beinahe verächtlich schaue ich seitlich zu meiner Frau.
Als ob ein paar Bäume die Anwesenheit eines Stellplatzes in einer Straße bedeuten würden, nur weil die Straße Lindendreef heißt. Was für eine absurde Vorstellung!
Wir biegen ab, ich will hinterher wenigstens triumphierend sagen können, dass ihre Aussage totaler Quatsch war.
Noch während wir abbiegen meint Anja, dass der Stellplatz ja so im Stellplatzführer heißt und sie meint, dass das bestimmt von den Bäumen her rührt.
Was für ein Quatsch…

Und ganz plötzlich sehen wir sie!
Rechts in der Sackgasse am kleinen Yachthafen stehen tatsächlich Wohnmobile. 10, 15 Stück.
Mensch ist das toll, wie Weihnachten! Ich küsse meine Frau und sage ihr, dass sie ein Genie ist. Das sie das beste biologische Navigationssystem ist, dass man sich vorstellen kann.

Ist ein tolles Gefühl mitten in der Nacht hier in die Gemeinschaft zu kommen.
Das verlorene Schiff aus dem Konvoi kehrt zurück in den Verband.
Mir ist nach Wagenburg bauen, wie zu Zeiten der ersten amerikanischen Siedler, zumute.
Wo ist John Wayne mit seinem Colt, der uns diese Nacht beschützt?

Wir fahren in die Reihe rein, dann ganz durch. Ernüchterung macht sich breit, offenbar sind am hinteren Ende (dort wo es ruhig ist) schon alle Plätze belegt.
Also drehen wir hier um und schauen weiter vorne nochmal.
Genau 1,5 Plätze sind noch frei. Ein belgisches Wohnmobil steht so auf der Linie, dass daneben kein PKW geschweige denn ein Wohnmobil passt, aber die Lücke daneben ist noch frei.
Zuerst stelle ich mich breit in die 1,5 Lücken rein, nach einem kurzen Kontrollgang der anderen Parker werfe ich aber dann den Diesel doch nochmal an.
Ich will auch innerhalb der Markierung stehen.

Nachher heißt es noch die egoistischen Deutschen müssen hier 2 Parkplätze belegen, wenn zum Beispiel der Belgier weg ist oder man könnte meinen der Belgier ist wegen uns ausgewichen. Und im Ausland daneben benehmen möchte ich mich nicht, daher ist mir das Umparken und die korrekte Nutzung der Parkbucht wichtiger, als die Rücksicht auf das nächtliche Starten des Motors.
Ich vereinbare mit Anja Rangiersignale, damit ich nicht wieder ein heilloses Gewinke und Flugversuche Anja´s als Einparksignale deuten muss.
Hier haben wir beide offenbar noch deutlichen Nachholbedarf.
Rückwärts fahren mit Fahrradträger ist ohne Rückfahrkamera nur mit gutem Einweiser und klaren Rangiersignalen möglich und da ich auch mit den Spiegeln nicht so ganz einverstanden bin, brauche ich umso mehr einen guten Einweiser.

         
     Die Ansicht des Stellplatzes                                                      Warm und sicher im Kreis der Familie 🙂

Nachdem wir nun endlich stehen bekommen wir plötzlich Besuch.
Nanu, doch nicht hier stehen? Aber dann Entwarnung, es ist „nur“ ein weiterer Wohnmobilist.
Er kommt aus Emden, steht hier auch die Nacht.
Ich frage ihn, ob er hier was bezahlt habe, er entgegnet, dass er gegen 18 Uhr hier angekommen wäre und seit dem keiner Geld von ihm haben wolle.
Die Waschräume seien auch noch auf und ansonsten fände er den Platz sehr reizvoll und toll.
Na also, da sind wir schon zu zweit oder nun eben zu dritt.
Wir unterhalten uns ein wenig über die Stellplätze hier.
Auch er hat den Platz in Nieuwport zuerst angesteuert, aber wegen der Absperrungen nicht erreichen können.
Er habe dann diesen Platz hier in Veurne jedoch mit Navi und den Stellplatzdaten der kostenlos herunter geladenen Reisemobil-International-Stellplatzdaten gefunden. Das Angebot wird wohl auf der online-Plattform der gleichnamigen Zeitung angeboten.
Ganz entspannt und einfach.
Hört sich gut an, vielleicht ist ein Navi mit europäischer Kartenfunktion doch ein wertvoller Ausrüstungsgegenstand, dessen Anschaffung ich nun ernsthaft überlege.
Wir quatschen noch ein bisschen über sein Wohnmobil (ein Ford Nugget), unser Schätzchen, die Ausrüstung, die anderen Wohnmobile und die deutschen Stellplätze.
Emden legt er uns besonders ans Herz. Dort fahren wir auch mal hin, klingt gut, was er uns da erzählt.

Im Hintergrund hören wir die ganze Zeit laute Musik. Offenbar ist auch hier ein Fest in der Stadt. Das würde auch den mit PKW voll gestellten Parkplatz erklären.
Es ist laut und der Bass von langsamen Techno oder Dance-Musik hämmert durch die von bunten Lichtern und Leuchten erhellte Nacht.
Na hoffentlich dauert das nicht zu lange, denn die Kraft nochmal los zu fahren, haben wir definitiv nicht mehr.

Wir spekulieren mit dem Besucher, was wohl der Grund der ganzen Dorffestchen hier oben sein könnte, ein Grund will aber keinem von uns beiden einfallen.
Nach ein paar Minuten verabschieden wir uns und wünschen uns trotz des Lärms eine gute Nacht.
Wir ziehen uns nun ins Wohnmobil zurück. Ich öffne den Kühlschrank und bin sehr überrascht. Ja beinahe freudig erregt. Der Innenraum ist kühl! Ja, er ist komplett kühl!
Wir hatten ja den Kühlschrank fit gemacht, leider jedoch noch keinen Feldversuch gestartet.
Bei unserer Abfahrt haben wir den nicht vorgekühlten Kühlschrank auf 12 Volt gestellt und ein paar Getränke dort eingelagert. Einfach nur so, ohne eine besondere Verbesserung zu erwarten.
Sogar die bei Zimmertemperatur eingelegte 1,5 Liter Cola Light Flasche ist kalt. Nicht nur, dass der Innenraum kühl ist, es hat in den 5-6 Stunden Fahrtzeit gereicht die dicke Cola- Flasche kalt zu bekommen.
Das ist wirklich ein voller Erfolg! Ich gehe nochmal vor die Tür, kämpfe mich durch die Mückenschar. Habe vergessen das Gas aufzudrehen.
Nachdem das erledigt ist, wünsche ich mir einen Trommelwirbel, denn ich probiere nun den Kühlschrank unter Gas in Betrieb zu nehmen.
Zögerlich aber bestimmt nimmt Kühli den Betrieb auf. Die kleine blaue Flamme leuchtet klar und hell im Kühlschrank. Ist das toll, er geht, er geeehhhhtttt!!!

Wir machen es uns erst mal bequem, an Schlaf ist eh noch nicht zu denken, wir müssen erst mal zur Ruhe kommen. Die Musik aus der Stadtmitte ist ebenfalls hier drin zu hören, wirkt aber trotz geöffneter Dachluken dumpf.

Ungewöhnlich, wir stehen wirklich tatsächlich frei.
Ob das eine ruhige Nacht wird?
Das erste Mal seit über einem Jahr (damals an der Nordspitze Norwegens) stehen wir wieder ohne die festen Grenzen und Einfriedungen eines Campingplatzes.
Draußen keimt plötzlich wieder Leben auf.
Stetig fahren die Wagen nun weg, das Straßenfest scheint vorbei zu sein.
Wir horchen in die Nacht und tatsächlich, die Musik ist verstummt.

Da es draußen laut ist, möchte auch ich nochmal das Wohnmobil verlassen und muss nun dank der plötzlichen Geräuschkulisse keine Bedenken haben, dass ich durch schließende Türen eventuelle Nachbarn stören würde.
Ich möchte mal schauen, ob ich irgendwas offizielles zu diesem Platz finde. Vielleicht eine Übersicht über Preise oder ein Schild, dass das Parken mit einem Wohnmobil hier eindeutig erlaubt.
Bei der Einfahrt auf den Parkplatz waren wir so auf die hier stehenden Wohnmobile fixiert, dass wir ganz vergessen haben auf die Beschilderung zu achten.
Ich rüste auch mein Navi mit frischen Batterien aus, will mal die Koordinaten hier aufnehmen.
Ich weiß nicht, ob die Koordinaten im Forum stehen und will diese sicherheitshalber aufnehmen.
Nach nur 2 Minuten Wartezeit habe ich 4 Satelliten auf dem Schirm und mir werden folgende Koordinaten angezeigt:
51° 04.28
002° 39.98
Bei meinem Rundgang finde ich auch das Servicehaus. Ich mache ein paar Bilder im Dunkeln, um Anja die Bilder zu zeigen und sie entscheiden zu lassen, ob wir hier oder bei uns die Wasch- und Klogelegenheit nutzen sollen.
Duschen kostet übrigens 1,50 €, Klobenutzung kostet 0,50 €.
Schilder an der Straße finde ich keine. Weder sind Wohnmobile verboten, noch sind sie explizit erlaubt. Na egal denke ich mir, wenn hier Deutsche, Niederländer, Franzosen und Belgier stehen, wird das wohl kein Problem sein.
Ich beende meine kleine Rundtour und kehre in das Wohnmobil zurück.
Dann lege ich Anja einen vollumfassenden Bericht ab. Sie hat es in unserem Wohnmobil mit ein paar Kerzen gemütlich gemacht und wir sitzen in der großen Sitzgruppe.
Hören in die Nacht den abfahrenden Festgästen und besprechen den Stellplatz und die morgige Weiterreise

              
   Die Service-Einrichtungen bei Nacht      Einfach, aber sauber                  Auch gegenüber parken vereinzelt Womos

Gegen Mitternacht ziehen wir uns in den Alkoven zurück, draußen ist es nach wie vor laut von den abfahrenden Gästen des Dorffestes.
Es wird laut gesprochen und gelacht, Türen geknallt, Motoren angeworfen.
An Schlaf ist im Moment eh nicht zu denken, aber da nun das Fest zu Ende sein scheint, keimt Hoffnung auf.
In naher Zukunft werden auch die letzten Gäste hier den Platz verlassen haben und dann wird es wohl endlich ruhig werden. Also machen wir das beste draus und quatschen miteinander, flaxen und albern herum.

Plötzlich erkenne ich in der Dunkelheit meinen natürlich Erzfeind, die gemeine Stechmücke!
Schon draußen haben wir sie gesehen, in 10er-Packs hingen diese an unserer, durch eine blöde Straßenlaterne grell angestrahlten, Fahrzeugwand.
Riesige Biester, die einen Bluter schnell an das verträgliche Limit an Mückenstichen bringen würde!
Wir haben die Tür fix zu gemacht und alle Fenster geschlossen gehalten, dennoch muss es so ein biestiges Aas hier hinein geschafft haben.
Angelockt durch das grelle Licht der Dachluke sitzt diese nun an der Innenseite des Mückenschutzes. Sie schaut leer aus, will scheinbar trotzdem dem hellen Licht hinterher.
Was tun? Wenn ich mich bewege, drehe oder nach irgendwas zum totschlagen greife wird die Mücke vielleicht aufgeschreckt und ist dann auf Nimmerwiedersehen verschwunden.
Ich habe aber auch nichts, womit ich die Mücke jetzt und hier töten könne.
Wie gebannt schauen wir beide auf das garstige Viech. Ihre Beinchen schwingen bedrohlich im grellen Licht.
Nützt ja nichts, also nehme ich all meinen Mut zusammen und nähere mich mit 2 Fingern der Mücke.
Beherzt greife ich zu und zerquetsche mit einem schnellen Griff die Mücke zwischen Daumen und Zeigefinger.
Ein voller Erfolg! Ich fühle mich wie Siegfried der Drachentöter.
Ob der Name Siegfried von siegen und Frieden kommt?
Egal, ich habe auf jeden Fall einen Siegerkuss verdient. Ich kann gar nicht verstehen, warum Anja meine Trophäe auf meiner Daumenkuppe nicht sehen will und mir angeekelt ein Taschentuch zum Abwischen reicht. Auch aus dem erhofften Siegerkuss wird leider nichts.

Obwohl wir recht spät ins Bett gegangen sind, habe ich keinen so rechten Schlaf gefunden
Die angrenzende Straße war einfach zu laut und stetig tröpfelten die heimfahrenden Gäste der Feier zum Parkplatz. Kaum ist man ein wenig weg geduselt kommt wieder eine Gruppe von Jugendlichen, die grölend und laut randalierend durch die Straßen zieht. Dosen werden getreten (haben die kein Dosenpfand?) und es wird an einige Wohnmobile geklopft. Spaßvögel!
Aber wenigstens ist eins sicher: Wenn die Meute draußen lautstark auf sich aufmerksam macht und nicht um die Wagen schleicht, wird es sich wohl nicht um Einbrecher handeln. So kann man auch dieser Situation noch etwas positives abgewinnen.
Und immer wieder wird ein Motor angeworfen und Leute fahren von dannen.
Anja hat damit keine Probleme, sie hat einen gesunden Schlaf, hat früher an einer Hauptstraße gewohnt, nächtlicher Straßenlärm ist ihr offenbar nicht fremd und so schläft sie bereits den Schlaf der Gerechten, während ich mich noch hin und her drehe.

Blöd, dass wir nichts sehen. Unser Alkoven hat nur nach vorne ein Fenster, dort hat Anja jedoch den Sichtschutz herunter gelassen. Sie wollte vermeiden, dass die heimkehrenden Massen ihr bestes Stück an das Fenster gedrückt betrachten können.
Ich bilde mir jedes Mal ein, dass es sich bei den weg fahrenden Fahrzeugen um eines der benachbarten Wohnmobile handeln muss.
Klingt doch alles wie unser geliebter Diesel, muss doch ein Wohnmobil sein. Oder wird das Geräusch nur durch die nicht vorhandenen Umgebungsgeräusche verstärkt? Klingt ein startender PKW, wenn es rund um einen herum still ist, wie ein startendes Wohnmobil?
In meiner Phantasie auf jeden Fall ja!
Und bei jedem weg fahrenden Wagen habe ich Bedenken, ob wir morgen früh vielleicht die einzigen sind, die hier noch stehen. Vielleicht mit Parkkralle oder noch schlimmer.
Am besten eingekreist von belebten Marktständen. Hört sich eigentlich lustig an, kann aber für den eingeschlossenen Camper schnell zur Geduldsprobe werden…
Neben der Geräuschkulisse geht mir die Straßenlaterne auf den Sack. Durch die offene Dachluke strahlt diese genau auf meine Schlafposition ihr bedrohlich wirkendes und kaltes gelbes Licht.
Zuerst versuche ich es mit hin und her drehen, dann aber muss ich die Luke auf der Lichtseite schließen, das Licht ist trotz geschlossener Augen einfach zu grell.

Die Gedanken kreisen auch jetzt wieder an unsere erste Reise im Juni 2006. Besonders, weil es dunkel ist und es sich ein wenig mulmig anfühlt!
Damals waren wir unbesorgt, standen mit dem Wohnmobil die erste Nacht „frei“ auf einem Rastplatz und was war: In der Nacht wurden wir beraubt! Ob sich das hier morgen früh wiederholt? Wir haben die Blauäugigkeit von damals jedenfalls heute abgelegt! Alles, was irgendwie wertvoll ist, haben wir eingeschlossen, weg gepackt, versteckt und gesichert. Auch die Türen vorne haben wir wieder mit unserem Zurrband gesichert, dazu das Handschuhfach geöffnet (liegen nur unwichtige Papiere drin). Sorgen macht mir allerdings die Aufbautür. Die Tür hat neben dem Schloss zwar einen kleinen nur von innen zu bedienenden Riegel, aber mit nur einem kräftigen Ruck hätte man die Tür wohl auf.
23 Jahre eben…
Für Schottland brauche ich auf jeden Fall ein zusätzliches Schloss für die Tür oder am besten gleich einen Balken, den man von innen vor die Türe machen kann.
Blöd nur, dass die Tür nach außen auf geht, egal was ich auch montieren würde, die Türe selbst ist das schwächste Glied. Was nützt mir da ein Balken von innen?
Vielleicht kaufe ich einen Bügel, den man mit Schloss von außen an die Türe macht und sichert. Aber ich frage mich immer wieder, ob man dieses Schloss in einer Notsituation auch von innen auf bekommt. Was ist bei Feuer? Muss ich dann erst umständlich vorne das Zurrband öffnen und die Türen vorne sind dann der einzige mögliche Fluchtweg? Vielleicht hilft mir hier eine zurecht gelegte Schere um das Zurrband schnell zu kappen?
Egal, das alles sind Gedankenspiele, die mir hier und jetzt nicht helfen. Ich finde nur keinen Schlaf und das geht mir nun mal durch den Kopf.

Irgendwann überlege ich, wie spät es wohl sein mag? Seit geraumer Zeit hat niemand mehr seine Bierdose als Fußball missbraucht oder einen Wagen gestartet, ich tippe so auf 4 oder so.
Bei uns zuhause hört man um diese Zeit die ersten Vögel singen. Ob es draußen hell wird kann ich durch die blöde Laterne auch nicht genau bestimmen. Ich lausche angestrengt in die Stille und da: Tatsächlich höre ich in der Ferne die ersten Vögelchen zwitschern.
Also so um 4 herum, aha.
Über diesem Gedanken schlafe ich plötzlich und völlig unerwartet ein wie ein Stein.

Zitat des Tages: „Manchmal muss man einfach nur sitzen und sein Geschäft verrichten.“

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